09.09.2019
Individualisierung der Therapie immer bedeutender
Rekordbeteiligung bei der 16. Fortbildungstagung für Diabetesteams der Diabetes-Akademie Niedersachsen
Dr. Volker Busch (Regensburg) bei seinem Vortrag „Das Gehirn is(s)t mit - Tipps und Tricks aus der Ernährungspsychologie“. Foto: VNDN
Der medizinisch-technische Fortschritt bei Insulinpumpen und Blutzucker-Sensoren sowie vielfältige neue Präparate und Outcome-Studien zu kardiovaskulären Erkrankungen sowie zunehmende Erkrankungen wie Adipositas sind die wesentlichen Faktoren, die einerseits den Betreuungsaufwand für Diabetes-Patienten erhöhen, aber andererseits auch die therapeutischen Möglichkeiten für die Mediziner verbessern. Zu diesem Ergebnis kam der Verband der niedergelassenen Diabetologen in Niedersachsen (VNDN) im Rahmen der 16. Schwerpunktpraxen-Tagung der Diabetes-Akademie Niedersachsen (DAN) in Hannover.
Das Interesse an dem zweitägigen Fachkongress mit hochkarätigen Dozenten war bei Niedersachsens Diabetologen sowie Diabetesberaterinnen und -assistentinnen sehr groß. Mit mehr als 250 Teilnehmern konstatierte der VNDN Rekordbeteiligung seiner Mitglieder. Die Tagung ist als ärztliche Fortbildung zertifiziert. Neben vier Impulsreferaten fanden Workshops zu sechs unterschiedlichen Themen aus der Praxis statt. Im Zentrum stand die Psyche der Patienten und wie der behandelnde Arzt Empathie für den Patienten entwickeln kann, um die Therapieerfolge zu steigern.
Im Vortrag „Das Gehirn is(s)t mit - Tipps und Tricks aus der Ernährungspsychologie“ strich Dr. Volker Busch (Regensburg) heraus, dass es Strategien gibt, mit denen sich Essverhalten erfolgreich steuern lässt. Busch ist Neurowissenschaftler und Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universitätsklinik in Regensburg. Er ist zudem Ernährungs- und Sportmediziner. Er erläuterte den niedergelassenen Diabetologen anhand direkt umsetzbarer Techniken und Werkzeuge, wie sie die Impulskontrolle ihrer Patienten für eine erfolgreiche Diät verbessern können. Für kurzfristige Ziele sei die Willenskraft hochwirksam und unersetzbar. Angestaute Emotionen, Stress und Schlafmangel würden allerdings die Willenskraft der Patienten oft schwächen und Gewichtsreduktion verhindern. Vielversprechender und geeigneter sei eine längerfristig ausgelegte Verhaltensänderung.
Prof. Thomas Duning (Münster) wies in seinem Vortrag „Update Diabetes und Demenz: Was muss ich wissen“ auf den möglichen Zusammenhang dieser beiden Erkrankungen hin. Denn chronisch immer wieder kehrende, auch leichtere Unterzuckerungen führen zu funktioneller und struktureller Hirnschädigung. Der Oberarzt der Neurologie der Universitätsklinik Münster sagte, dass neben Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen, Bluthochdruck auch ein schlecht eingestellter Diabetes zu Demenz führen könne. Wer fit sei, bei dem sei auch das Risiko von schädlichen Ablagerungen im Gehirn erheblich reduziert.
Der VNDN-Vorsitzende Dr. Andreas Lueg trug zum Thema „Diabetes und Schwangerschaft – Welche Bedeutung haben Folgeschäden?“ vor. Er erläuterte, dass bei einer frühzeitigen Diagnose und entsprechender Behandlung auch die Veranlagung des Kindes zu Übergewicht oder Diabetes im späteren Leben günstig beeinflusst und so eine sogenannte Fehlprogrammierung vermieden werden könne. Diabetes führe zu einem deutlich erhöhten Risiko eines Schwangerschaftsabbruchs oder von Geburtskomplikationen. Deswegen sei ein gut eingestellter Blutzucker vor und während der Schwangerschaft elementar wichtig.
Zum Abschluss der Tagung referierte Prof. Hacı-Halil Uslucan zum Thema „Krankheit und Gesundheit im interkulturellen Kontext“. Der Psychologe und Migrationsforscher an der Universität Duisburg-Essen wies darauf hin, dass Zuwanderer oft ein anders Verständnis vom Kranksein hätten. Beispielsweise gingen sie selten zu Vorsorgeuntersuchungen, selbst die obligatorischen U-Untersuchungen für Kinder würden häufig nicht wahrgenommen, weil es das in den Herkunftsländern in dieser Form nicht gäbe. Die Ärzte in Deutschland sollten sensibel für interkulturelle Unterschiede sein und hätten auch die Aufgabe, die Migranten über die Möglichkeiten des deutschen Gesundheitssystem zu informieren.
Neben den Vorträgen fanden an beiden Tagen sechs Workshops statt. Dabei beschäftigte sich Gabriele Wenzel (Oldenburg) mit dem Thema „Hormonwissen für Diabetologen: Hyper- und Hypocortizismus“, was differentialdiagnostisch bei Diabetes nicht übersehen werden sollte, da die Symptome der Erkrankungen sich oft ähneln. Dr. Holger Leitolf, (Hannover) leitete den Workshop „Diabetes und Fette - Was ist in der Praxis wirklich relevant?“. Der Oberarzt für Endokrinologie der Medizinischen Hochschule Hannover verdeutlichte den engen Zusamnmenhang von Lipidstoffwechselstörungen und erhöhtem kardiovaskuläre Risiko von Patienten. Er wies zudem auf die neuen Zielwerte hin.
Weitere Workshops behandelten die Themen „Gedanken über die Einsamkeit des Menschen - mit Diabetes - in der postmodernen Gesellschaft“ (Dr.Peter Koch, Bad Harzburg), „Neue Features am Schulungsmanager“ (Dirk Kirschey, Heike Klünker-Suerland, Kirsten Meyer, Sarah Penning und Jan Vormeister), „Körpersprache und Kommunikation“ (Tom Ortner, Neufahrn bei Freising) und „Pumpentherapie“ (Sandra Schlüter, Northeim).
Im Rahmen der zweitägigen Tagung ging es neben dem fachlichen Austausch auch um das Netzwerken der Diabetologen untereinander. Zum Programm gehörten auch sportliche Einheiten.